Umjubelte Premiere im Zimmertheater der Freilichtbühne
„Shakespeares Wilde Weiber“- darstellerische Sternstunde und Ladypower pur
William Shakespeare, einer der bedeutendsten Dramatiker überhaupt und auch der Fleißigste (mit sage und schreibe 38 Dramen) hätte seine Freude gehabt an dieser neuen, excellenten Inszenierung im Zimmertheater der Freilichtbühne Mannheim, obwohl er selbst am Ende gar nicht gut wegkommt. Aber die Spielfreude, die Darstellungskunst und das komödiantische Talent der „Wilden Weiber“ Susi Bechtold, Santina Rudolph und
Martina Stahl hätte ihn genau so wie das Publikum begeistert. Man konnte einige Szenen aus den großen Shakespeare-Dramen hautnah und ziemlich authentisch (in „leicht“ abgewandelter Form) und mit flottem „Kostümwechsel“ erleben. Christa Krieger hat mit ihrem neuen Stück „Shakespeares Wilde Weiber“, einer Komödie mit Liedern (vom Feinsten, jedes für sich ein kleiner Höhepunkt, einstudiert von Thomas Nauwartat-
Schulze) von Harald Helfrich, Isabella Leicht und Dorothee Jordan eine unbekannte Perle des zeitgenössischen Theaters ausgegraben und seit April daran intensiv gearbeitet. Allein für die Bewältigung der enormen Text gebührt den Damen ein Riesenlob. Christa Krieger fand Idealbesetzungen für die drei unterschiedlichen Typen. Susi Bechtold ist die abgeklärte und nahezu allwissende Dramaturgin und verhinderte Schauspielerin Andrea, die fast jede Rolle des Casting schon immer mal spielen wollte. Jede Menge Bühnenerfahrung bringt Molly (Martina Stahl) mit, die aber als alleinerziehende Mutter mit Babysitter Bühne und Privatleben in Einklang bringen muss. Die dritte Kandidatin ist die junge, hübsche etwas naive TV-Soap-Darstellerin Julia (Santina Rudolph) – herrlich ihr Reggae-Othello, der Mohr von „Jamaica“ und ihre Liebesattacke gegenüber Hamlet. Sie hat keine Theatererfahrung, kennt nur Leonardo di Caprio als Romeo, brilliert aber in der Balkonszene als liebende Julia mit Molly als Romeo. Als
sexy Ophelia setzt sie ihre weiblichen Waffen gezielt ein, um Hamlet zu erobern. Mit Männern hatten die Damen nie wirklich Glück und das schweißt die Konkurrentinnen nach anfänglichem Zickenkrieg endgültig zusammen, als sie feststellen, dass der Regisseur (von dem man nur die
Stimme hört), ihnen mitteilt, dass keine von den drei Damen für die Rolle in Frage kommt. Es seien nur noch die Hexen übrig! Und schon verwandeln sich die wilden Weiber in anarchistische Hexen (die Eingangsszene des Macbeth) und rechnen mit den chauvinistischen Männern ab. Dabei flippen sie total aus und zweifeln am Ende auch noch an Shakespeare als Verfasser. In der Schlussszene gipfelt das Ganze in einer wilden Phantasie über die Entstehung der Meisterwerke, die ich hier nicht verraten möchte. Auch deutliche Kritik an modernen Inszenierungen berühmter Klassiker, die dann trotzdem höflich beklatscht werden, wird geübt. Zum großen Erfolg des sehenswerten Stückes beigetragen haben auch die Aktiven hinter den Kulissen, denen vom Ensemble und der Regie herzlich gedankt wurde. Unbedingt ins Zimmertheater der Freilichtbühne gehen, „Shakespeares Wilde Weiber“ auf keinen Fall verpassen!
Gartenstadt-Waldhof Journal, Oktober 2018, D. Augstein