Partykracher und flinke Pfeile: Freilichtbühne mit zwei unterhaltsamen neuen Stücken

Eine gute Zeit soll das Publikum haben. Dafür sorgen rund 400 Macher auf und hinter der Mannheimer Freilichtbühne, die Kinder und Erwachsene in der Sommersaison mit zwei neuen Produktionen bestens unterhalten: mit einer Komödie mit 70er-Jahre-Songs und einem actionreichen Klassiker.

Es ist eine gute Tradition an der Mannheimer Freilichtbühne, Kindern und Erwachsenen jedes Jahr im Sommer ein auf sie gemünztes Stück in der Gartenstadt zu präsentieren. Seit 1950 finden die Vorstellungen inmitten einer schönen Parkanlage in der Gartenstadt statt. Gegründet wurde der Verein, der die Aktivitäten trägt, vor 111 Jahren auf dem Waldhof. Heute nehmen rund 400 Mitglieder auf und hinter der Bühne ehrenamtlich am Geschehen teil, bei dem es immer zutiefst familiär zugeht. Alle mit der Inszenierung verbundenen Arbeiten, von der Regie, Maske und Technik, bis hin zu Schauspiel und Kartenverkauf, werden von den Mitgliedern geleistet. . In diesem Jahr stehen bis zu vier Generationen auf der Bühne, die das Publikum gleich zwei Mal mit auf eine Zeitreise nehmen stehen: mit dem Klassiker „Robin Hood“ für Kinder und der Komödie „Schlager lügen nicht“ als abendfüllendes Stück für Erwachsene. Beide Premieren gingen am Wochenende über die Bühne und waren nahezu ausverkauft.

Familie Spengler gerät Schlagerszene

Am Samstag hob sich der Vorhang für die Komödie „Schlager lügen nicht“, die eine beschwingte Hommage an die 1970er-Jahre ist. Nicht weniger als 24 Mitwirkende spielten, tanzten und sangen sich durch den Plot, der das Flair eines Musicals atmete: eine bunte Scharade, die sich um die Irrungen und Wirrungen der Liebe dreht, von Anja Adelmann und Michael Knapp in Szene gesetzt, die dafür aus dem über die Jahre mit Kostümen und Requisiten prall gefüllten Fundus der Freilichtbühne schöpfen konnten. Ein gutes Jahr nahmen die Proben und Recherchen dafür in Anspruch. Entstanden ist die authentisch wirkende Renaissance einer Epoche, in welcher Schlaghosen, Plateauschuhe und schräge Frisuren zum guten Ton gehörten – mit der passenden Musik dazu, die heute Kultstatus hat. Das Publikum begleitet die Familie Spengler zwei Stunden lang auf ihrem persönlichen „Summer of Love“-Trip, der sie in die von Skandalen umwitterte Schlagerszene geraten lässt. Von ihrem heimischen Sofa aus, das vor einer Tapete mit psychedelischen Mustern steht, führt sie die Reise auf die der Deutschen liebsten Ferieninsel Mallorca, wo gerade die nächste Ausgabe der beliebten TV-Show „Schlagerparade“ produziert wird – begleitet von einem Soundtrack, den Roberto Blanco, Rudi Carrell, Henry Valentino und Co beisteuern.

Das Publikum singt und tanzt mit

Es waren an diesem Abend 19 Party-Kracher, die vom Ensemble auf der Bühne live gesungen und vom Publikum begeistert mit angestimmt und auch getanzt wurden. „Bei den Proben fühlten wir uns oft wie in die Zeit zurückversetzt, da wir als Teenager selbst mit unseren Eltern vor dem Fernseher gesessen haben“, erinnerte sich Anja Adelmann, deren Regie-Mitarbeit auch eine Premiere ist. Mit Blick auf die Auswahl des Stücks habe man sich bewusst für eine Produktion mit ganz viel Humor und Wohlfühlfaktor entschieden. „Das Publikum soll eine gute Zeit haben, nach Herzen lachen, singen und tanzen“, sagte ihr Regie-Kollege Michael Knapp. Das ist am Samstag gelungen.

Hauen und Stechen in der Gartenstadt

Am Sonntag hob sich der Vorhang für das aktuelle Familien-Stück, wobei noch einmal mehr als doppelt so viele Schauspieler als am Vorabend auf der Bühne standen. Zum Ensemble gehören etwa 30 Kinder und Jugendliche. Der Aufwand, den man hier getätigt hat, um den legendären Sherwood Forest in die Gartenstadt zu verpflanzen, ist beachtlich. Viel Wert wurde auch in diesem Fall auf Details gelegt, um die vielen Tanz-, Kampf- und Alltagsszenen im England des 12. Jahrhunderts darzustellen. Die Akteure lernten von ihren Coaches mit Pfeil und Bogen, Schwert und Stock umzugehen. So wurden das quirlige Treiben auf dem Marktplatz am Fuße der Burg, das Hauen und Stechen mit den tölpelhaften Schergen des schusseligen Sheriffs von Nottingham und das Spiel der Gaukler für das Auge des Betrachters farbenfroh in Szene gesetzt. Über 70 Kostüme wurden eigens angefertigt.

Inspiration aus alten Hollywood-Schinken

Die Szene verlagerte sich wiederholt auch vor die Bühne, wenn die Gefährten durch die Wälder streifen und in ihrem Versteck Feste feiern. Am Herzen liegt den Machern aber auch die Moral von der Geschichte. Dass Robin Hood dem Adel von Nottingham nur das nimmt, was den Armen zum Überleben fehlt, verleiht der Hauptfigur bis heute seinen Glanz. Für Schwächere einzutreten und das Gute zu kämpfen, das sind zeitlose Werte.
Für Sandra Mercatoris und Christoph Rohs ist die Entstehung des Sherwood Forest auf der Freilichtbühne ihre erste Regie-Arbeit. Mit ihrem Ensemble machten sie sich mit Begeisterung an die Umsetzung des Stoffs. „Einige von unseren jungen Schauspielern haben sich sogar die alten Hollywood-Filme angesehen, um sich auf ihre Rolle vorzubereiten“, sagte Sandra Mercatoris. Hat auch sie sich die Klassiker angesehen? „Nein“, erwiderte sie mit einem Lächeln. „Ich wollte unsere eigene Version der Geschichte auf die Bühne bringen und mich eben nicht beeinflussen lassen“. Auch das ist am Sonntag gelungen.

Die Rheinpfalz, 12.06.2024, Manfred Ofer