Freilichtbühne Mannheim: So begeistert die 70er-Jahre-Revue

Mannheims Freilichtbühne präsentiert die Revue “Schlager lügen nicht”: Familiengeschichte trifft dabei auf Showbiz-Intrigen in einer farbenfrohen 70er-Jahre-Show

Die neue Abendproduktion der Mannheimer Freilichtbühne hat alles, um in den nächsten elf Vorstellungen bis Anfang August für ein volles Haus zu sorgen. „Schlager lügen nicht“ könnte sich zu einem echten Kassenschlager entwickeln, denn in der – nicht nur Genre-Fans – kurzweiligen Revue, die sich um Ohrwürmer der 70er Jahre rankt, kommt viel Gutes zusammen.
Autor Thomas Schiffmann ist als Theater-, Film- und Fernsehwissenschaftler, Regisseur, Schauspieler, Sänger, Moderator, Musiker und Texter ein Theatermensch durch und durch. Die Regie von Michael Knapp und Anja Adelmann greift den liebevoll-ironischen Blick des Autors auf, bedient augenzwinkernd alle Klischees des Schlagers und bringt richtig Leben auf die große Bühne in der Gartenstadt. Dort ist im Mix aus Spiel- und Tanzeinlagen (Choreografie Nina Füllhase, Sabrina Petschi) viel los, auch das Spiel ohne Ball funktioniert in jeder Ecke. Dabei ist Christa Krieger als Putzfrau und Kellnerin voll in ihrem Element.
Die 19 Schlager wie „Immer wieder sonntags“, „Wunder gibt es immer wieder“, „Ein bisschen Spaß muss sein“, „Ti Amo“ oder „Ein Lied kann eine Brücke sein“ sind das Gerüst für zwei parallel laufende Geschichten.

Abend verbindet Familiendramen mit den Schattenseiten des Ruhms

Die eine dreht sich um die schlageraffine Familie Spengler mit Mutter Maria (Sabrina Petschi), Vater Richard (Dominik Kobel), pubertierender Tochter Doro (Elisabeth Adelmann) sowie deren Freund Jürgen (Paul Kaufmann). Die andere gewährt mit „Anheizerin“ (Claudia Knapp) den Blick in die hinter den Kulissen gar nicht so heile Schlagerwelt, in der TV-Show-Moderator Peter Brock (Andreas Burger), das Gesangsduo Ulla (Marie-Claire Kieser) und Björn (Michael Knapp) sowie Schlagerstar Dieter Kern (Guntram Raquet) sich angiften. Beide Stories kreuzen sich, als Doro eine Reise zu einer TV-Aufzeichnung gewinnt und sie mit ihrer Mutter nach Mallorca reist. Dort kommen sie mit ihren Stars mehr oder weniger in Berührung, doch die Skandaljournalistin Julia (Bettina Robl) und ihr Fotograf Berger (Wolf-Lennart Arras) sorgen für Aufregung und Eifersucht bei den Männern in der Heimat. Natürlich lösen sich alle Missverständnisse in Wohlgefallen auf, denn Schlager lügen (angeblich) nicht.
Das Bühnenbild mit den psychodelischen Tapeten, den schrillen Kostümen und abenteuerlichen Frisuren erinnert schmerzvoll an die modischen Entgleisungen vor fünf Jahrzehnten.
Als Running Gag tragen die Jacobsisters immer wieder ihre (gehäkelten) Pudel spazieren. Und weil das extra für die Gesangsparts gecastete 24-köpfige Ensemble auch gut bei Stimme ist (Einstudierung Thomas Nauwartat-Schultze), dauert es keine Minute, bis das Publikum in den voll besetzten Reihen erstaunlich textsicher mitsingt. Die Lust an der chorischen Teilhabe endet nach zweieinhalb Stunden in fast schon euphorischem Beifall.

Mannheimer Morgen, 11.06.2024, Sibylle Dornseiff