„Mord im Orientexpress“ im Zimmertheater Mannheim zu sehen

Agatha Christies Klassiker neu interpretiert: Thomas Nauwartat-Schultze bringt “Mord im Orientexpress” ins Zimmertheater Mannheim und begeistert mit einer komödiantischen Herangehensweise an den berühmten Krimi

Es dürfte nur wenige Menschen geben, die Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ nicht kennen. Der 1934 erschienene Kriminalroman um Meisterdetektiv Hercule Poirot, der hier entscheidend mit den Themen Recht, Gerechtigkeit und Selbstjustiz konfrontiert wird, wurde mehrfach verfilmt und feierte in den letzten Jahren auch auf Theaterbühnen Erfolge.

“Mord im Orientexpress” in Mannheim: Komische Züge betont

Als erstes Amateur-Ensemble erhielt die Mannheimer Freilichtbühne die Aufführungsrechte der Bühnenfassung von Ken Ludwig aus dem Jahr 2018. Der amerikanische Dramatiker hat die Zahl der handelnden Personen auf zwölf reduziert, die Zusammenlegung der ursprünglich zwölf Verdächtigen auf acht macht Sinn. Weil Ludwig die Geschichten der „Queen of Crime“ als Komödie versteht, betont seine Vorlage die komischen Züge. Im Mittelpunkt stehen Figuren, von denen die meisten allein durch ihre Skurrilität und ihre Marotten Komik in sich tragen.
So auch in der unterhaltsamen, mit Rückblendungen und Hörspieleinlagen arbeitenden Inszenierung von Thomas Nauwartat-Schultze für das Mannheimer Zimmertheater. Das Publikum lacht gerne und viel, was Teile des Ensembles allerdings auch immer mal wieder zu Übertreibungen hinreißen lässt. Die Grenze zum Klamauk ist dann nah. Davon ist glücklicherweise in der Rekonstruktion des Mordes, der sicher besten Szene des Stückes, nichts zu spüren. Da spielen alle mit Inbrunst und Ernsthaftigkeit.
Alles in allem agieren die sechs Männer und sechs Frauen in einem fantastischen Bühnenbild mit großer Spielfreude auf einem hohen Energielevel. Mit durchgängiger Seriosität überzeugen Nina Sumser (Mary Debenham), Simone Eisen (Gräfin Andrenyi), Simon Paulus (Schaffner Michel) und Andreas Nußbeck (Poirot). Dessen Gegenteil ist der servile Schlafwagendirektor Bouc (Christian Lange).

“Mord im Orientexpress” im Zimmertheater: Gut gelungenes Bühnenbild

Wera Wörner wandelt sich von einer überspannten Diva zur leidenden Mutter. Ute Zuber ist eine gestrenge, zynische Prinzessin Natalja, Martina Stahl die weinerliche Missionarin Greta Ohlsson, Bastian Bauer der aufbrausende Oberst Arbuthnot, Sandra Sebastian Kellnerin und Schaffnerin. Florian Wilhelm stürzt als tollpatschiger Sekretär des Opfers Samuel Ratchett über die Bühne. Bernhard Schönfelder kann sich als zwielichtiger Amerikaner nach seiner Ermordung im Bett seines Abteils ausruhen.
Womit wir wieder beim Bühnenbild sind, das allein schon den Besuch der Aufführung lohnt und alle technischen Finessen des Zimmertheaters einsetzt. Von einem zehnköpfigen Team realisiert, spiegelt es detailreich die luxuriöse Welt der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts wider, verstärkt wird die Atmosphäre durch Musik von Mahler, Strawinsky und Prokofiev.

Mannheimer Morgen, 03.11.2023, Sibylle Dornseiff