“Schtonk!” auf der Freilichtbühne: Großes Kino am Mannheimer Waldrand

Das Ensemble der Freilichtbühne spielt Helmut Dietls legendäre Kömodie „Schtonk!“ nach und bekommt vom erheiterten Premieren-Publikum heftigen Applaus.

Mannheim. Da haben sie sich was getraut. Helmut Dietls satirische Komödie um die gefälschten Hitler-Tagebücher, auf die 1983 der „Stern“ reinfiel, gilt als eine der lustigsten deutschen Filme des ausklingenden 20. Jahrhunderts. Vor allem dank der herausragenden schauspielerischen Leistungen von Götz George, der seine komödiantische Seite zuvor als „Schimanski“ meist gut zu verbergen wusste, und Uwe Ochsenknecht, dem gebürtigen Bibliser mit tiefen Mannheimer Wurzeln. Dem eifern nun auf der Freilichtbühne, wie es der lustige Zufall will, sogar einige Ensemble-Mitglieder nach, die wie Ochsenknecht das Ludwig-Frank-Gymnasium besuchten. Und wenn man sich vor der Premiere jetzt fragte, ob sie sich auf der Freilichtbühne mit „Schtonk!“ nicht vielleicht ein bisschen in der Gewichtsklasse verheben würden, lautet die Erkenntnis relativ schnell: Nein. Die machen das ganz großartig. Dass dies nicht nur eine subjektive Meinung sein muss, zeigt der heftige Applaus.
Wobei allein die Geschichte, wie der seither berühmte Fälscher Konrad Kujau dem Hamburger Magazin 62 (!) angebliche Orginal-Tagebücher Adolf Hitlers für 9,3 Millionen Mark (!!) andrehen konnte, so unfassbar grotesk ist, dass sich außer den armen Menschen beim „Stern“ eigentlich ein Jeder vor Lachen immer wieder wegschmeißen muss.

„Sie richtig schmieriger Typ!“

Kongenial künstlerisch ergänzt wurde das von Dietl und seinen Protagonisten mit Filmdialogen für die Ewigkeit, wie etwa Christiane Hörbiger als Hermann-Göring-Nichte den von George gespielten Reporter lasziv-bewundernd anschmachtete: „Sie sind ja ein richtig schmieriger Typ“, oder wie Ochsenknecht als gefälschter beziehungsweise fälschender Hitler nach dem Anblick von Fahrradfahrern die Eröffnung der Olympischen Spiele 1933 im Tagebuch notiert und bangt: „Hoffentlich bekomme ich noch Karten für Eva.“
Auf der Freilichtbühne sind sie nun der Versuchung widerstanden, sich daran noch mit eigenem Wortwitz oder künstlerischen Verrenkungen zu versuchen. Sie präsentieren „Schtonk!“ vielmehr schlicht wie im Film und in dessen 2018 erstmals aufgeführter Bühnen-Fassung. Unter der Regie von Markus Muth erweist sich das Ensemble durchweg als der großen Vorbilder würdig. Vor allem Harald Kremsreuter spielt den Hermann Willié exakt so, wie ihn Götz George angelegt hat. Der verrückt-entrückte Blick, mit dem er die erste „Stern“-Ausgabe mit den Tagebüchern in die Kameras hält – das wäre vielleicht auch das bessere Motiv für die Plakate gewesen, mit denen die Freilichtbühne für das Stück wirbt. So zeigen sie eine eher langweilige Geld/Bücher-Collage.
Allein daran wird es allerdings nicht gelegen haben, dass bei der Premiere – der einzige Wermutstropfen an diesem Abend – etliche Plätze freibleiben. Eigentlich sind sie hier, am luftigen Rand es Käfertaler Waldes, einen weitaus größeren Publikumszuspruch gewohnt. Als mögliche Erklärung verweist Freilichtbühnen-Leiter Thomas Nauwartat-Schultze auch auf eine anhaltende Pandemie-Trübung, unter der trotz aller Lockerungen noch viele Theater leiden, sowie auf zwei stimmungsvolle Straßenfeste als Konkurrenz in der Nachbarschaft.
Wer „Schtonk!“ beim ersten Mal verpasst hat, bekommt bis einschließlich 13. August noch insgesamt elf weitere Gelegenheiten, die nächste ist am Samstag, 9. Juli.

Mannheimer Morgen, 04.07.2022, Steffen Mack