Spielzeit komplett abgesagt

„Bis auf eine Szene war alles gestellt und schon mal geprobt“, sagt Ute Zuber wehmütig – doch vergeblich. Die Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“, die sie für die Freilichtbühne Mannheim inszeniert hat, fällt ebenso wie komplett aus wie das Kinderstück „Michel in der Suppenschüssel“. Das älteste und größte Amateurtheater der Region, das zuletzt im Sommer über 13 000 Zuschauer anzog, hat jetzt wegen der Corona-Krise seine komplette Sommersaison abgesagt. „Bitter, ganz bitter“, fühlt sich das für Zuber an, die seit 1998 in dem Ensemble aktiv ist. Die Komödie nach dem gleichnamigen Film von Philippe de Chauveron und Guy Laurent ist ihre vierte Regiearbeit. Seit September hat sie das Stück vorbereitet. „Wir sind Amateure, wir müssen nicht davon leben, dass wir spielen – aber sehr, sehr traurig ist das für uns alle schon“, so Ute Zuber.

„Wie ausgebremst“

Matthias Heckmann wäre ihr Hauptdarsteller gewesen. „Nicht perfekt, aber über den Daumen hatte ich den Text schon ’drauf“, erzählt er, und bis zur Premiere im Juni wäre genug Zeit für Feinarbeit gewesen. Drei Monate studierte er die Rolle schon ein – „und jetzt fühle ich mich ausgebremst“, und das nicht nur auf der Freilichtbühne. Auch beim Boulevardtheater Deidesheim, wo er ebenso spielt, fällt alles aus, und beruflich hat der Dolmetscher, der oft ausländische Delegationen begleitet, auch nichts zu tun: „Da fehlt etwas, das ist traurig. Man weiß nicht, was man machen soll“, seufzt er. Aber zur Absage habe es keine Alternative gegeben, bedauert Sabine Valentin, die künstlerische Leiterin. Derzeit hätten die Behörden ohnehin Großveranstaltungen bis Ende August verboten – und auch wenn die Personenzahl noch nicht genau definiert sei, falle die Freilichtbühne mit ihren 750 Plätzen sowie zahlreichen Akteuren vor und hinter den Kulissen sicher darunter. Zudem sei unklar gewesen, wie man auf den Toiletten, beim Einlass oder auch im Zuschauerraum Abstandsregeln einhalten solle. „Wir wollten auch nicht öffnen, wenn alle sagen, dass die Leute zu Hause bleiben sollen“, betont Valentin: „Die Verantwortung wäre zu hoch gewesen – dem Publikum und den Akteuren gegenüber“, so Valentin.
Seit 1950 bespielt der 1913 als „Dramatischer Club“ gegründete Verein das ehemalige Schießstand-Gelände im Käfertaler Wald. Trotz aller Wetterkapriolen, Vereins- und Wirtschaftskrisen – seither wurde jeden Sommer gespielt. Nun hoffen die 25 Mitwirkenden des Kinderstücks und die 30 Beteiligten beim Abendstück alle darauf, dass die für jetzt einstudierten Werke in der Sommersaison 2021 gezeigt werden können, „so ist zumindest der Plan“, sagt die künstlerische Leiterin. Sie wünscht sich sogar, wenigstens im Herbst den Betrieb im Zimmertheater mit „Bernada Albas Haus“ aufnehmen zu könnten. „Derzeit sind Proben nur im Videochat möglich, wir hoffen aber, dass wie im Sport auch im Kulturbereich bald Erleichterungen zugelassen werden,“ so Valentin. Ein Problem ist allerdings, dass auch zwölf – eigentlich nahezu ausverkaufte, aber wegen des Coronavirus abgesagte – Zimmertheater-Vorstellungen von „Kings Speech“ aus dem Frühjahr nachgeholt werden müssten, sonst droht die Zahlung von Ausfall-Tantiemen an den Verlag. Holger Ohm beziffert die Einnahmeausfälle beim Zimmertheater und die fehlende Sommersaison zusammen auf etwa 150 000 Euro Verlust. „Das sind die Durchschnittseinnahmen der letzten drei Spielzeiten“, so Ohm, der seit vier Jahren den 400 Mitglieder zählenden Trägerverein führt. Etwa 150 davon seien vor, hinter und auf der Bühne aktiv. Für sie bedeute die Absage „einen tiefen Einschnitt“. „Wir haben in den letzten Jahren sehr gut gewirtschaftet und werden die Krise überstehen“, versichert zwar Geschäftsführer Thomas Nauwartat-Schultze. Man werde „alles tun, um die Arbeitsplätze der vier Angestellten zu erhalten“.
„Wir sind wirtschaftlich auf uns selbst gestellt und müssen an die Rücklagen ’dran, viele geplante Instandsetzungen zurückstellen“, sagt Ohm. Der neue Steinbelag für den Zuschauerraum werde „mit Sicherheit geschoben“. Auch bei Baumpflegearbeiten und Fassadenarbeiten „müssen wir schauen, was sich schieben lässt“. Er wolle jedoch „versuchen, die Mitglieder bei der Stange zu halten“ – etwa durch Gartenarbeiten in Kleingruppen. Die Jugendgruppe ist schon aktiv geworden: Sie bietet einen Einkaufsservice für ältere Mitglieder an.

Mannheimer Morgen, 29.04.2020, Pwr