Solidarität gegen Machtstreben

Zimmertheater – Beachtenswertes „Rumpelstilzchen“ auf der Amateurbühne

Märchen sind grausam. Auch wenn sie gut enden, sind doch immer böse Mächte im Spiel, die Kindern Angst bereiten. Hermann Wanderscheck (1907-1971) hat daher einige Märchen der Gebrüder Grimm neu verfasst – darunter auch „Rumpelstilzchen“. Im Mannheimer Zimmertheater feierte es nun unter der Regie von Phillip Valentin Premiere, die die großen und kleinen Besucher (ab drei Jahren) in eine fantasievolle Welt mit vielen heiteren Momenten entführte. In der Grimmschen Fassung trieben die Prahlsucht des Müllermeisters und die Goldgier des Königs das traurige Schicksal der Müllerstochter voran – im Zimmertheater wurde das zu einer Geschichte voller Solidarität mit einem gütigen und dadurch hoch verschuldeten König umgewandelt.

Kecker kleiner Kobold

Die Müllerstochter Florina (Amélie Adi) möchte ihm – unterstützt von Freundin Heide (Vera Arndt) – helfen und das viele anfallende Stroh ihres Vaters (Joshua Frank) zu Gold spinnen. Natürlich misslingt ihr Versuch, bis ein kleiner Kobold erscheint und die Aufgabe erfüllt. Aber nicht ohne Bedingungen. Eigentlich kommt er im Auftrag der Herrin des Waldes, um den Königstaler zu stehlen, der ihr Macht und Würde auch über das Königreich verleihen sollte. Meisterhaft spielt Pia Valentin diesen kecken Kobold, der trotz Unterwürfigkeit eigenmächtig handelt. Gebieterisch stolz erscheint Jana Eicher als ehrgeizige, aber misstrauische Herrin des Waldes, die von Raben Krakra (Marie-Claire Kieser) und Kater Kratzepfote (Agnetha Rauch) hintergangen wird.
Köstlich sind die bezeichnenden Namen, die den Figuren des Reiches vom barmherzigen König Leberecht (bescheiden galant: Sebastian Kaufmann) zugeschrieben sind: Hofmeister Tummeldich (stets umtriebig und zum Lachen: Simon Nemet), Jägermeister Knallbüchs (hilfreich auf der Jagd: Paul Kaufmann) oder Nachbarin Tante Überall (immer informiert und einsatzfähig: Silvia Schönfelder). Sie sind es, die das im Grunde grausame Märchen um den Kampf des erstgeborenen Kindes entschärfen.
Mit viel Einfühlungsvermögen hat Regisseur Phillip Valentin das Märchen auf der Bühne vor und hinter den Vorhang umgesetzt – nicht zuletzt mit einem beachtenswerten Ensemble aus Amateurspielern, einer verwunschen gestalteten Bühne (Sebastian Kaufmann und Phillip Valentin) und Darstellern in perfekt nachempfundenen Kostümen (Bärbel Steegmüller, Monika Kaufmann). Dazu hat er eine untermalende Musik der aus den USA stammenden Brüder Derek und Brandon Fiechter gewählt, die mit ihren beruhigenden Harmonien das Geschehen begleiten. Eine beachtenswerte Inszenierung, die mit jubelndem Applaus bedacht wurde.

Mannheimer Morgen, 03.12.2019, Christina Altmann