Gute Taten setzen sich durch

Premiere – 50 erwachsene und jugendliche Darsteller führen auf der Freilichtbühne in der Gartenstadt „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler auf

Erst 127 Jahre alt, also noch ganz feucht hinter den Ohren, aber ehrgeizig und wild entschlossen, endlich auch auf dem Blocksberg die Walpurgisnacht feiern zu dürfen: Das ist die kleine Hexe. Otfried Preußler hat sie 1957 erschaffen, um seinen Kindern in Gute-Nacht-Geschichten die Angst vor Hexen zu nehmen. Seit über 60 Jahren wird sie – übersetzt in 47 Sprachen – in aller Welt geliebt, sie ist ein Film- und Hörspielstar und steht zum dritten Mal nach 1986 und 1993 auf der Mannheimer Freilichtbühne.

50 erwachsene und jugendliche Darsteller hauchen dort, in der Gartenstadt, der Story pralles Leben ein und beantworten unter dem Riesenbeifall des Publikums letztendlich die Frage, weshalb es keine bösen Hexen mehr gibt.

Rabe Abraxas blickt zurück

Eigentlich wegen eines Missverständnisses. Denn was ist gut, was böse? Für die großen Hexen muss eine gute Hexe Böses anstellen. Beraten vom Raben Abraxas versteht die kleine Hexe unter gut aber tatsächlich gut und bemüht sich redlich, jeden Tag etwas Gutes zu tun. Doch sie wird von der Hexe Muhme Rumpumpel ausspioniert, die dem Hexenrat alles verrät. Der ist erbost, statt auf dem Blocksberg mitzutanzen, wird die kleine Hexe dazu verdammt, alles für das Fest vorzubereiten. Doch sie weiß sich zu helfen, nicht umsonst hat sie ein Jahr lang perfekt zaubern gelernt.

Dominik Kobel und Michael Graf haben eine auch für Erwachsene mitreißende und spannende Geschichte inszeniert, mit vielen Actionszenen, aber auch einigen Ruhepolen. Ihre allesamt gut beschäftigten Akteure leisten bei der Premiere Hervorragendes und sind immer präsent, egal ob in Haupt- oder Nebenrollen. Erzählt wird im ersten Teil in Rückblicken. Abraxas (sehr agil Astrid Nortmeyer) lässt ein ganzes Jahr Revue passieren, erinnert an all die guten Taten, die in bunten Bildern aus dem Dorfleben anschaulich werden. Da half die kleine Hexe (sympathisch, herzlich, gewitzt Bianca Valentin) den armen Holzweibern und dem Blumenmädchen, verwandelte den Förster in einen netten Menschen, ließ den Schnupfen des Maroni-Mannes verschwinden und rettete dem Ochsen Korbinian das Leben. Es gibt viel zu entdecken, weil auch das stumme Spiel aller Akteure stimmt. Herausragend dabei Muhme Rumpumpel (leidensfähig Marie-Claire Kieser), die viel ertragen muss.

Es raucht, blitzt und donnert

„Ist denn schon Schluss“, fragte der fast vierjährige Jakob bei seinem ersten Besuch auf der ausverkauften Freilichtbühne ganz enttäuscht in der Pause. Doch er kam danach noch einmal voll auf seine Kosten, staunte, wie es rauchte, blitzte, donnerte – und verfolgte furchtlos das lustvoll keifende, kreischende und wunderbar geschminkte Hexengeschwader.

„Am besten hat mir die große Hexe in schwarz gefallen“, lobte er die Oberhexe, in der eine völlig unkenntlich gemachte Christa Krieger ganz ohne schrille Töne auskommt und dennoch alle im Griff hat. Bis eben auf die kleine Hexe. „Ich gehe jetzt zu allen Stücken, auch im Winter“, hat die Freilichtbühne in Jakob einen neuen Stammgast gefunden.

Mannheimer Morgen, 17.06.2019, sd