Das Stottern des Königs

Schauspiel – Die Mannheimer Freilichtbühne eröffnet die Zimmertheatersaison mit dem Winterstück „The King’s Speech“ / Gute Regie und Ensembleleistung

Mit „The Kings’s Speech“ eröffnete die Mannheimer Freilichtbühne die Zimmertheater-Saison und landete einen begeistert aufgenommenen Premieren-Erfolg. Das Thema des Stückes von David Seiler um den stotternden Herzog von York ist ernst, beruht auf historischer Wahrheit. Doch dank einer gehörigen Portion britischen Humors, den die Amateurschauspieler aus der Gartenstadt auch in genau richtigem Maß auf die Bühne bringen, wird daraus ein im besten Sinne unterhaltsames Stück.

Albert, der zweite Sohne des englischen Königs Georg V., stottert, jeder macht sich über ihn lustig. Jeder öffentliche Auftritt wird zur Qual und zum Fiasko, so dass er sich auf Initiative seiner Frau Elizabeth – später bekannt als Queen Mum –vom australischen Sprachtherapeuten Lionel Logue helfen lässt. Der versetzt ihn sogar in die Lage, als Georg VI. den Thron zu übernehmen, dem sein Bruder Edward wegen seiner unziemlichen Beziehung zur geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson und deren engen Kontakten mit Nazi-Deutschland entsagen muss. Seiler hat das Stück bereits in den 70er Jahren geschrieben, doch Queen Mum verbot die Aufführung zu ihren Lebzeiten. Nach ihrem Tod wurde aus dem Stoff zunächst ein mit einem Oscar preisgekrönter Film, ehe er 2012 auf die Theaterbühne zurückfand.

Herausforderung beim Bühnenbild

Regisseur Markus Muth hat sein Ensemble sehr präzise geführt, auch die kleinste Rolle stimmt. Ihm ist es zudem bestens gelungen, die Bühnenbild-Herausforderungen mit 37 Szenen an 17 Schauplätzen in den Griff zu kriegen, ohne den Handlungsablauf zu stören. Eine mit großen Schiebetüren versehene Wand trennt die kleine Bühne, dahinter werden im Wechsel Büros im Buckingham-Palace, Logues Sprechzimmer oder Westminster Abbey aufgebaut, während davor bei diversen Begegnungen politische Entwicklungen besprochen und Intrigen gesponnen werden. Die Wand ist auch eine Projektionsfläche für historische Filme als Zeitdokumente von 1925 bis zum Kriegsausbruch 1939.

Parallel zur äußeren Notlage der Welt spitzt sich die innere von „Bertie“ alias Albert zu. Andreas Burger spielt ihn sehr fein justiert und mit bewundernswertem Stottern als einen von allen verkannten Menschen ohne Selbstwertgefühl, aber fähig zur Selbstironie und willens, sich für die „Firma Windsor“ zu opfern. Seine verbitterte Verzweiflung äußert sich immer wieder in cholerischen Ausbrüchen.

Die Therapie in winzigen Schritten verläuft keineswegs geradlinig, doch er spürt, dass ihm die Begegnungen mit Lionel guttun. Der ist – weil ein erfolgloser Schauspieler – ebenfalls verkannt, wohl aber ein genialer Psychologe. Matthias Heckmann ist in der Rolle des Therapeuten vom Typus her das genaue Gegenteil von Bertie: optimistisch, zugewandt, offen, frei von falscher Ehrerbietung. Die Treffen der beiden sind die Kernstücke der Handlung und lohnen allein schon den Besuch im Zimmertheater.

Mannheimer Morgen, 15.10.2019, sd