Freilichtbühne stellt Programm vor

Unterhaltung Amateurtheater hat zwei neue Stücke einstudiert – gespielt werden „Ein Käfig voller Narren“ und „Der kleine Ritter Trenk“

Sie haben ein monatelanges Lauftraining in High-Heels hinter sich, gehen regelmäßig zur Anprobe, verbringen Stunden in der Maske und rasieren sich alle paar Tage die Beine. Aber sie machen sich nicht etwa für die Wahl zu Germanys next Top-Model fit, sondern für die Premiere von „Ein Käfig voller Narren“ auf der Mannheimer Freilichtbühne. Knapp drei Wochen vor der Premiere sind die Hauptdarsteller des Stückes von Jean Poiret schon sehr gespannt auf ihre Wirkung. Denn als Travestiekünstlerinnen standen Matthias Heckmann, Michael Knapp, Michael Sinthern und Dominik Kobel noch nie auf der Bühne. Die Erfahrungen mit der neuen Weiblichkeit sind ganz unterschiedlich: „Rasierte Beine fühlen sich sehr gut an“, sagt Sinthern, der den aus Russland stammenden Attila spielt. „Nur er kam dafür in Frage, denn er hat die beste Figur“, frotzelt Heckmann alias der schwule Varietébesitzer Georges. An ihm hat seine reale Ehefrau ganz neue Seiten entdeckt.

„Sie ist entzückt, wie gut ich den Staubsauger schwinge.“ Auf der Bühne ist Michael Knapp sein Lebenspartner Albin. „Wir haben alle einen Riesenspaß, aber es kostet viel Energie, zwei Stunden lang konzentriert zu sein und die Rolle durchzuhalten.“ Nicht nur Knapp muss immer wieder mit der Körperhaltung kämpfen. „Nüsschen“ ist dann ein Schlagwort, mit dem Regisseur Markus Muth die weibliche Gangart einfordert, wenn das schlaffere männliche Gehen mal wieder Raum greift. „Ich habe am Anfang gesagt: ,Stellt Euch vor, ihr habt eine Nuss zwischen den Pobacken und die darf nicht rausfallen’“, erklärt Muth.

Keine Probleme bei Besetzung

Schon seit zwanzig Jahren ist es sein Traum, das 1973 uraufgeführte „La Cage aux Folles“ zu inszenieren. Erst gab es keine Rechte für Amateurtheater, im Zuge des gleichnamigen Erfolgsmusicals war das Theaterstück dann bei den Verlagen verschwunden. „Vor zwei Jahren tauchte es wieder auf und ich habe sofort zugegriffen.“ Probleme bei der Rollenbesetzung hatte er nicht. Ganz im Gegenteil. „Ich musste vor allem auf die Balance achten, damit die Travestie-Komödie, die wegen der schwierigen Beziehung zwischen Albin und Georges ja auch ernste Momente hat, nicht in eine Klamotte abrutscht“, nennt Muth eine Herausforderung. „Heute ist ein Schwulenstück ja kein Schocker mehr“, hat er darüber hinaus einige Akzente verschoben oder auch Witze entstaubt, um es frisch zu halten.

Während „Ein Käfig voller Narren“ in einem aufwendigen, detailreichen Bühnenbild gespielt wird, setzen Monika Kaufmann und Bärbel Steegmüller im Kinderstück „Der kleine Ritter Trenk“ auf Minimalismus. Zumindest, was die Kulisse betrifft. Denn ihre sonstige Ausstattung greift in die Vollen. „Normalerweise toben wir uns in der Kostümschneiderei aus, aber alle vier Jahre packt es uns und wir müssen inszenieren“, dreht sich für das Frauenpower-Duo, das zuletzt „Tischlein-Deck-Dich“ auf die Bühne brachte, dann alles um die Regie. „Es macht uns einfach großen Spaß, an Problemen zu tüfteln“, versprechen sie wieder einige inszenatorische Überraschungen, wenn 54 Mitwirkende ab vier Jahren das Mittelalter lebendig werden lassen. Denn um das damalige harte Leben der von den Rittern drangsalierten Dorfbevölkerung geht es in dem Stück, das auf dem Kinderbuch von Kirsten Boie basiert. Trenk (Bastian Bauer) und seine Schwester Mia-Mina (doppelt besetzt von Emelie Gröschel und Viviane Krolop) wollen an der Unterdrückung der Leibeigenen etwas ändern. Der Junge nimmt sein Schicksal in die eigene Hand, will selbst Ritter werden, findet unterwegs Hilfe und unterstützt wiederum andere.

Viele Kinder im Team

Letztendlich wird sein Mut belohnt. Für den 14-jährigen Bastian Bauer, der vor sechs Jahren in der Kindergruppe der Freilichtbühne anfing, ist es die erste Hauptrolle. „Vorher war ich Statist in Hänsel und Gretel, ein Huhn in Nils Holgersson, der Zeitungsjunge in Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, freut er sich über den Aufstieg. Bei Emelie Gröschel (12) ging alles schneller, denn für sie ist es nach Peterchens Mondfahrt erst die zweite Produktion. Dass ihr Part doppelt besetzt ist, ist gewollt: „Wir haben über fünfzig Kinder und Jugendliche und alle wollen mitspielen“, haben die Regisseurinnen das Original-Personal mehr als verdreifacht, um allen gerecht zu werden. „Außerdem ist unsere Bühne groß, sie muss belebt werden“, versprechen sie ein Spektakel, in dem viel gekämpft und getanzt wird.

Mannheimer Morgen, 29.05.2018, sd