Den Dichter vom Podest holen
Schauspiel: Mannheimer Freilichbühne wagt mit „Shakespeares Wilden Weibern“ eine biestige Verballhornung
Mannheim.William Shakespeare war ein Vielschreiber, produzierte in 23 Jahren 38 Stücke. Andrea weiß sogar, wie viele Worte und Kommata er benutzte, kennt alle Rollen und kann einige Texte zitieren. Doch nun will die Theaterwissenschaftlerin auch selbst auf die Bühne, um die Lady Macbeth zu spielen. Beim Casting trifft sie auf zwei Konkurrentinnen, die ebenso überzeugt sind, die einzig richtige Besetzung zu sein.
Was das Fachwissen betrifft, können sie sich mit der „Klugscheißerin“ (Susi Bechtold) nicht messen, doch Molly, die „Mütterliche“ (Martina Stahl), ist immerhin Schauspielerin und Julia, die „Naive“ (Santina Rudolf), stand schon vor der Filmkamera. Streit und Zickenkrieg sind die Folgen, doch als die Drei merken, dass das Casting gar nicht wirklich stattfinden wird, verbünden sie sich: gegen den abwesenden Regisseur und auch gegen den alten William.
Denn je mehr sie sich mit Othello, König Lear, Romeo und Julia oder Hamlet beschäftigen, desto klarer wird ihnen das reduzierte Frauenbild des englischen Dramatikers aus dem 16. Jahrhundert. Das wollen sie ändern, entwickeln die tollsten Verbesserungstheorien und werden zu „Shakespeares Wilden Weibern.“
Das ist der Titel der Collage mit Liedern von Harald Helfrich, Isabella Leicht und Dorothee Jordan, mit der die Mannheimer Freilichtbühne am 6. Oktober, 20 Uhr, die Herbst- und Wintersaison im Zimmertheater eröffnet. Regie führen Christa Krieger und Dominik Kobel. Die Ehrenvorsitzende, die selten inszeniert, reizte das Stück. „Shakespeare wird Stufe für Stufe vom Podest geholt. Wenn man seine Werke in eine Kurzform bringt, dann handeln sie von Mord, Krieg und Totschlag. Es fließt viel Blut und am Ende gibt es jede Menge Tote“, hatte sie an der „munteren und turbulenten“ Verballhornung des Dichters ebenso viel Vergnügen wie ihre drei Darstellerinnen.
„Es ist keine Boulevardklamotte, sondern der Humor ist sperrig und biestig“, sagt Susi Bechtold. „Am Anfang war das nicht ganz leicht, aber jetzt macht es richtig Spaß.“ Sogar mit den vom Verlag vorgegebenen Liedern hat sich das Trio arrangiert. „Sie spiegeln die Lebenswelt der drei Frauen wider“, erläutert Thomas Nauwartat-Schultze, der die Songs einstudierte.
Mannheimer Morgen, 04.10.2018, sd