Skurriler Weg zurück zum Erfolg

Freilichtbühne: Die neue Saison im Zimmertheater beginnt in einer Woche mit der Sozialsatire “Top Dogs” / Regisseur Holger Ohm wagt “eine Art Experiment”

Alle Acht waren als “Top Dogs”, als Spitzenmanager, hochbezahlt, angesehen, stellten ihre Arbeit vor die Familie und verloren so gegenüber ihren Mitmenschen und Mitarbeitern jegliche Empathie. Nun teilen sie selbst das Schicksal derer, die sie einst entlassen haben. Ohne Job, also ohne das einzige, das ihnen das Leben lebenswert machte, versuchen sie, in einem Beratungsdienstleistungscenter (Outplacement-Center) durch Neuorientierung den Weg zurück zum Erfolg zu finden. Und merken nicht, wie sie mit absurden Methoden einer Hirnwäsche unterzogen werden; wie das, was sie an Strategien, Ritualen und Spielen lernen, jeglichen Sinnes entbehrt.

Bewusster Kontrast

Die Zimmertheatersaison der Freilichtbühne beginnt am Samstag, 14. Oktober mit einer Aufführung, die Regisseur Holger Ohm als “eine Art Experiment” bezeichnet. Der Vorsitzende des Amateurtheatervereins in der Gartenstadt will mit “Top Dogs” des 2014 verstorbenen Schweizer Autors Urs Widmer – “er ist für mich der Nachfolger Friedrich Dürrenmatts” – ganz bewusst einen Kontrast setzen zu den eher opulenten Erfolgsstücken aus dem vergangenen Sommer mit “Dr. Jekyll und Mr. Hyde” sowie der ” Froschkönig”. Denn in der 1996 uraufgeführten Sozialsatire konzentriert sich das Ensemble voll und ganz auf das Schauspielen, findet das Auge des Betrachters auf der fast kahlen Bühne wenig Ablenkung. “Wir haben schon Anfang des Jahres mit den Proben begonnen und sind ganz anders als bisher an die Rollenentwicklung und Typenerarbeitung herangegangen”, schildert Ohm einen arbeitsintensiven Prozess. Ziel war es, nicht einfach einen Text zu lernen und sich in eine Rolle hineinzuversetzen, sondern einen Teil der eigenen Persönlichkeit und viel Wahrhaftigkeit hineinzubringen. Dazu gehört, dass alle acht Akteure unter ihrem eigenen Namen spielen und dass die Proben schon sehr früh für Publikum zugänglich waren. “Wir haben viel von den Hinweisen aus oft eigenem Erleben profitiert”, sagt Ohm. Das geschah übrigens ganz im Sinne Urs Widmers, denn der führte, bevor er sein Stück schrieb, viele Gespräche mit Arbeitslosen. Neu an Holger Ohms Inszenierungsarbeit ist auch der teilweise Verzicht auf exakte Regieanweisungen. “Viele Gänge und Abläufe sind nicht festgelegt, sondern variieren ständig.” Für Andreas Burger, erst seit einem Jahr im Freilichbühnen-Ensemble und selbst Spielleiter in Dudenhofen, war Ohms Herangehensweise ungewohnt. “Ich stehe seit 25 Jahren auf der Bühne, aber immer im Boulevard. Die Arbeit mit Holger war eine Bereicherung. Ich bin sehr froh, dass er mich gebeten hat, mitzuspielen.”

Spannende Rollen

Relativ frisch bei der Freilichtbühne, noch jung an Jahren, dennoch theatererfahren und auf dem Sprung zur Profikarriere ist Thorsten Gräfe. “Die Rollenerarbeitung nah an einem selbst war sehr spannend, immer spontan. Es hat schon eine gewisse Perversion, umgebogen zu werden, damit man auf dem Arbeitsmarkt funktioniert.” Einer, der diese Erfahrung ganz neu macht, ist Wolfgang Heuer. Er ist der Neue in der Gruppe, die ihn aufgrund ihrer Erfahrung anleitet. “Durch die Inszenierung wird auch das Publikum in das scheinbar sinnvolle, aber auf den zweiten Blick sinnentleerte Outplacement-Prozedere eingeführt”, erläutert Regisseur Holger Ohm und betont: “Das hat natürlich seine komischen Seiten. Aber ,Top Dogs’ ist eine Satire, kein Schenkelklopfer.”

Mannheimer Morgen, Samstag, 07.10.2017, sd